Einen Bypass für die Betriebe legen

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14.10.2009 Interview mit Jörg Hofmann zur Situation im Maschinenbau und zum Finanzierungsmodell durch Public Equity Fonds

Jörg Hofmann, Chef der IG Metall in Baden-Württemberg, sorgt sich um den Maschinenbau - Der Tagesspiegel - 13.10.2009 - Das Gespräch führte Alfons Frese

BRANCHE
Mit gut 900 000 Beschäftigten ist der Maschinenbau die größte Industriebranche. Trotz Auftragseinbrüchen um die 40 Prozent und Produktionsrückgängen um die 20 Prozent hält sich der Stellenabbau
bislang in Grenzen. Am Dienstag und Mittwoch gibt es in Berlin
den "Maschinenbau-Gipfel", das jährliche Spitzentreffen der Branche.

Tagesspiegel:
Herr Hofmann, es gibt immer mehr Hinweise auf eine konjunkturelle Erholung, wird der Winter doch nicht so schlimm?

Jörg Hofmann:
Na ja, der Auftragsrückgang im Maschinenbau liegt noch immer über 40 Prozent. Die Talsohle mag erreicht sein, aber sie liegt schrecklich tief. Und in einzelnen Bereichen, etwa Werkzeugmaschinen- und Druckmaschinenbau, ist keine Erholung erkennbar. Im Gegenteil:
Es gibt zunehmend Probleme mit der Eigenkapitalausstattung und
daraus folgend mit der Kreditbeschaffung.

Tagesspiegel:
Dann täuschen die Erholungssignale?

JH: Hier und da tut sich was, die Chinesen kaufen die eine oder andere Maschine, aber das macht nicht satt. In den USA tut sich nichts. Und grundsätzlich sieht es überall da mau aus, wo Investitionsgüter für die Autoindustrie hergestellt werden. Besser ist es bei allem, was mit Energie zu tun hat, mit Kraftwerken, aber auch mit Schienenfahrzeugen und Werkzeugen für den Ersatzbedarf.

Tagesspiegel:
Und wo ist es ganz schlimm?

JH:Bei Textil- und Druckmaschinen liegt der Auftragsrückgang deutlich über 50 Prozent. Hier gab es schon vor der Krise Überkapazitäten, so dass sich nun konjunkturelle und strukturelle Probleme wechselseitig verschärfen.

...

Tagesspiegel:
Ihre größte Sorge gilt dem Maschinenbau?

JH: Jedenfalls stellt sich bei vielen Betrieben die Frage, ob sie die nächsten Monate durchstehen. Der Maschinenbau macht den Kern unserer Technologieführerschaft aus, die wir in Deutschland haben. Er ist praktisch das Herz unserer Industrie, und das darf nicht aufhören zu
schlagen. Engländer und Amerikaner sollten wir uns deshalb nicht zum Vorbild nehmen - die haben kaum noch Maschinenbau. Dann schon eher Japaner und Chinesen, die über Konjunkturprogramme massiv Geld in ihre Firmen stecken und vor allem die Forschungsaufwendungen
subventionieren. Wir müssen da hinterherziehen, wenn wir
uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen.

Tagesspiegel:
Sieht das die Politik auch so?

JH: Die Dramatik der Situation wird unterschiedlich wahrgenommen. Wegen der größer werdenden Finanzierungsnot brauchen wir neue Optionen auch an den Banken vorbei. Wir schlagen einen Public Equity Fonds vor: Das Land nimmt hierfür verbriefte Anleihen am Kapitalmarkt auf. Der Fonds kann dann die Eigenkapitalbasis von zukunftsfähigen Unternehmen unterstützen, etwa durch stille Beteiligungen. Über die Vergabe muss ein unabhängiges Gremium entscheiden. Die Gewerkschaften sehe ich da mit im Boot.

Tagesspiegel:
Machen die Banken dicht?

JH: Die Banken, die selbst kein Risiko gescheut haben, überziehen jetzt bei der Risikobeurteilung von Unternehmen. Ihnen aber die Gesamtverantwortung zuzuschieben, wäre zu einfach. Die Verschärfung
der Eigenkapitalregeln schränkt ihre Kreditpolitik ein. In dieser
Situation brauchen wir einen Bypass für die Betriebe, die ansonsten zusammenbrechen. Oder die von Chinesen und Indern aufgekauft werden. Die sind natürlich nur an der Technologie interessiert.

Tagesspiegel:
Gibt es denn Hilfe von der badenwürttembergischen
Landesregierung?

JH: Das Wirtschaftsministerium wird von der FDP geführt - und die ist ja über den Satz "Der Markt wird es schon richten" kaum hinausgekommen. Es braucht wohl leider erst mal ein paar Leichen, bevor die Politik aufschreckt.

Letzte Änderung: 15.10.2009