Stellungsnahme von Dieter Knauß, IG Metall Region Stuttgart, zum Strukturbericht 1998/99
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  1. Die Industrie in der Region Stuttgart bleibt weiter im Konjunkturhoch. Aus Sicht der IG Metall Region Stuttgart ist deshalb das ständige Lamentieren der Industrieverbände über Standortnachteile und Wettbewerbsprobleme unverständlich und contraproduktiv.
     
  2. Noch nie war die Bedeutung des Fahrzeugbaus in der Region so groß wie am Ende des "Auto Jahrhunderts". Sorge bereitet der IG Metall dabei die starke Abhängigkeit der Region vom Fahrzeugbau. Entsprechende Risiken ergeben sich bei einer rückläufigen Autokonjunktur.
     
  3. Ausdrücklich begrüßt die IG Metall Region Stuttgart das Zustandekommen einer Kooperationsplattform in der Kfz-Branche, um den Risiken, die sich aus den Branchentrends mit Überkapazitäten und Sättigungstendenzen ergeben, nicht unvorbereitet ausgeliefert zu sein. Hier bietet die IG Metall ihre eigene Mitarbeit an und fordert gleichzeitig die Landesregierung auf, diese Initiative zu unterstützen.
     
  4. Der Inlandsmarkt bleibt schwach. Das strukturelle Problem der schwachen Binnennachfrage macht Investitionen dringend notwendig, zumal infolge des positiven Konjunkturverlaufs, der gestiegenen Erlöse und Gewinne und der niedrigen Zinsen günstige Voraussetzungen für die Unternehmen vorhanden sind.
     
  5. Trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung bleibt leider ein deutlicher positiver Beschäftigungseffekt aus. Auch in den boomenden Branchen werden kaum neue Beschäftigte eingestellt. Sieht man von einigen qualifizierten und hochqualifizierten Bereichen ab.
     
  6. Im Gegenteil es bauen nach wie vor zahlreiche und bekannte Unternehmen Personal ab. Beispiele in der Region sind u.a.:
    • Haushahn in S-Feuerbach
    • Foxboro Eckardt in S-Bad Cannstatt
    • Sony in Fellbach
    • Neoplan in S-Möhringen
    • Mann & Hummel in Ludwigsburg.

  7. Weil solche Fälle von Restrukturierung und Marktbereinigung anhalten werden, fordert wir den Ausbau der Bestandspflege durch die regionale Wirtschaftsförderung (REBAG = Regionale Beschäftigungsagentur.
     
  8. Darüber hinaus wird sich nach unserer Meinung eine echte Entlastung des Arbeitsmarktes nur durch eine andere Verteilung von Arbeit herbeiführen lassen.
     
  9. Für Herrn Richter klingen Branchendialoge und Clustermanagement sehr nach Planwirtschaft und er stellt zu Recht fest, daß wir nur begleiten, beraten und initiieren können. Das ist u. a. die Aufgabe des VRS, WRS, REBAG und soll die der Kooperationsplattform in der Kfz-Branche sein.
     
  10. Wir sind aber nicht der Auffassung, dass der Markt alle Probleme von sich aus löst. Lassen Sie mich an dem von Herrn Richter angesprochenen "Mangel an Fachkräften" ein solches Problem aufzeigen. Die Frage der Qualifikation ist wie Herr Richter zu Recht betont hat das Zukunftsthema für den regionalen Arbeitsmarkt.
    Ein Problem ist, dass in der Vergangenheit die Ausbildungskapazitäten heruntergefahren wurden und jetzt nur langsam wieder erhöht werden.
    Die Unternehmen müssen heute ihren Betriebsräten, Jugend- und Auszubildenden- vertretern und uns Gewerkschaften dankbar sein, dass wir uns in den vergangenen Jahren ständig für eine Erhaltung oder Erhöhung der betrieblichen Ausbildungsplätze eingesetzt haben. Das Marktargument war, wir bilden nicht über den Bedarf aus. Nur welcher Unternehmer kennt den Markt in 3 bis 4 Jahren. Solange muß aber mindesten für die Berufliche Bildung vor geplant werden. Übrigens auch ohne Planwirtschaft.
    Vor Jahren war die Facharbeiterausbildung keine Sackgasse, weil über Meister- oder Technikerweiterbildung oder durch betriebliche Qualifizierung eine Weiterentwicklung möglich war.
    Die Betriebe haben sich von innen heraus weiterentwickelt. Unserer Meinung nach sollten die vorhandenen Qualifikationen bei den Beschäftigten stärker gefordert und gefördert werden.
     
  11. Wir sind deshalb der Meinung, dass betriebliche Qualifizierung und systematische Personalentwicklung zur Lösung dieser Probleme verstärkt durchgeführt und geplant werden muss.
     
  12. Um die betriebliche Qualifizierung und eine systematische Personalentwicklung voranzubringen, wird externe Hilfe benötigt. Wir fordert deshalb eine politische und regionale Ausrichtung der bestehenden Förderung. Mit Fördermitteln aus dem Europäischen Sozialfonds, dessen neue Förderrichtlinien Anfang nächsten Jahres in Kraft treten, eröffnen sich neue Handlungsfelder für die Region.
     
  13. Die Abkoppelung der Frauenbeschäftigung von der konjunkturellen Erholung macht spezifische Aktivitäten zur Frauenförderung gerade in den Betrieben erforderlich. Die IG Metall initiiert und unterstützt solche Aktivitäten in einer Reihe von Betrieben, u.a. bei Bosch in S-Feuerbach, Hirschmann in Esslingen und Valeo (ehem. SWF) in Bietigheim. Aus EU-Fördermitteln finanzierte Dachprojekte können dabei den Betrieben Verwaltungsaufwand abnehmen.
Wir sehen den gemeinsamen Strukturbericht als einen sinnvollen Kooperationsversuch zwischen Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften. Wir treten wie die IHK für eine Stärkung des Verbandes Region Stuttgart ein.

Herr Richter wird mir sicherlich auch nachsehen, wenn ich für uns feststelle, daß wir als freiwillige Mitgliederorganisation unseren Einfluß und unsere Rolle erarbeiten müssen und sie nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen.

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