Presseerklärung der Institute und Herausgeber des Strukturbericht 2001/2002
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Anteil älterer Beschäftigter wird sich in 10 Jahren verdoppeln - neuer Strukturbericht für die Region Stuttgart vorgestellt

Die aktuelle Altersstruktur der Beschäftigten stellt in Verbindung mit den demografischen Trends eine strukturelle Herausforderung für die Region Stuttgart dar. In den nächsten 10 Jahren wird sich der Anteil von Beschäftigten über 55 Jahre auf über 20% verdoppeln. Die Wirtschaft muss sich darauf einstellen, Innovations- und Leistungsfähigkeit mit im Durchschnitt immer älteren Belegschaften zu erreichen. Diesen besorgniserregenden Befund ergibt der Strukturbericht für die Region Stuttgart, den der Verband Region Stuttgart, die Handwerkskammer Region Stuttgart, die IG-Metall Region Stuttgart und die IHK Region Stuttgart am 21. Februar vorgestellt haben.

Die Autoren des Strukturberichtes, das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und das Stuttgarter Institut für Medienforschung und Urbanistik (IMU) halten die Region Stuttgart für besonders gefordert: gerade aufgrund der relativ günstigen wirtschaftlichen Lage und der niedrigen Arbeitslosenquote ist der Anteil älterer Beschäftigter in allen Branchen höher als im Bundesdurchschnitt. Und: auch das Verhältnis Älterer zu Jüngeren, die Erneuerungsrate der Belegschaften, ist in allen Branchen schlechter. Diese Daten zeigen zusammen mit dem wieder akuten Fachkräftemangel, dass in der Region Stuttgart diese Strukturprobleme schon stärker wirksam sind als in anderen Regionen. Dies kann sich durchaus auch als Chance erweisen.

Die Größe der Herausforderung zeigt sich aber daran, dass heute nur in etwa der Hälfte der Betriebe Mitarbeiter mit über 50 Jahren anzutreffen sind. Neben den wachsenden Anforderungen an Leistung und Flexibilität erweisen sich Vorurteile betrieblicher Praktiker als eine der größten Hürden. So gelten ältere Arbeitnehmer pauschal als weniger innovativ, kreativ und belastbar, ihnen werden neben einem höheren Krankheitsrisiko weitere negative Stereotypen zugeschrieben. Dagegen setzt der Strukturbericht das Argument, dass die beschriebenen demografischen Trends keineswegs automatisch zu weniger leistungsfähigen oder weniger innovativen Belegschaften und Unternehmen führen müssen. Es ist nicht in erster Linie das biologische Alter, das einer Berufsausübung entgegen steht, sondern der vorzeitige körperliche und psychische Verschleiß von jeweils geforderten Fähigkeiten. Hier gibt es erfolgversprechende Handlungsansätze, etwa in den Bereichen betriebliche Qualifizierung und Arbeitsorganisation, die aber eher mittelfristig wirksam sind. Erforderlich ist hierfür ein Umdenken von allen Beteiligten im Arbeitsmarkt.

Dies wird auch am Beispiel der Un- und Angelernten gezeigt: ihr Anteil an allen Beschäftigten ist mit 20% nach wie vor höher als im Bundesdurchschnitt. Mit wachsendem Alter nimmt diese Quote immer weiter zu, bei den über 50 Jährigen ist es schon fast jeder Vierte. Dies steht im krassen Widerspruch zu den Weiterbildungsanstrengungen: dieser Personenkreis ist nur mit ca. 10% am Weiterbildungsvolumen- beteiligt.

Auffällig ist, dass Frauen bei der Beschäftigungsentwicklung der letzten Jahre sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor schlechter abgeschnitten haben als Männer. Wenn die verfügbaren Personalreserven besser genutzt werden sollen, müssen die Eintrittsbarrieren für Frauen in den Arbeitsmarkt deutlich abgesenkt werden. Insbesondere die unzureichenden Angebote zur Betreuung von Kindern haben sich zuletzt schon als regelrechte Wachstumsbremse erwiesen.

Insgesamt hat das gute konjunkturelle Klima die wirtschaftliche Entwicklung in der Region in den letzten Jahren deutlich geprägt, so dass die Arbeitslosenquote von 6,5% (1998) auf 4,4% (2001) im Jahresdurchschnitt gesunken ist. Hinter dieser positiven Entwicklung verbergen sich allerdings gravierende strukturelle Verschiebungen: der Dienstleistungssektor ist - vor allem in der Stadt Stuttgart - in zwei Jahren um 7,5 % gewachsen, während die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe trotz der guten konjunkturellen Lage stagnierte. Zuwachs gab es hier nur im Landkreis Böblingen und im Kfz-Bereich, von dem die Abhängigkeit weiter zugenommen hat: Fast 45% des Industrieumsatzes der Region werden inzwischen in dieser Branche erzielt. Chancen für zukünftige Synergieeffekte durch sich wechselseitig ergänzende Profile der Kreise und strukturelle Risiken liegen nach wie vor eng beieinander.

gez.
Frank Iwer, IMU-Institut Stuttgart
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