Siegfried Roth

IG Metall Vorstand

 

Neue Trends in der Automobilindustrie

und ihre Auswirkungen auf die Zulieferer

Referat zur regionalen Branchenkonferenz für Betriebsräte

19. Oktober 2000, Stuttgart

 

Die deutsche Kfz-Industrie verfügt über eine stabile Wettbewerbsposition und konnte ihre Stellung in den letzten Jahren ausbauen. Seit 1998 bewegt sich die Produktion auf Rekordniveau und an der Grenze der Kapazitäten, auch 2000 werden wieder mehr als 5 Mio Einheiten produziert. Die Beschäftigung ist seit der Krise '91-'93 wieder um 14% gestiegen, liegt aber immer noch um 80.000 unter ihrem damaligen Höchststand. Dies ist Ergebnis der großen Produktivitätssprünge der gesamten Wertschöpfungskette.

Der ruinöse Preiswettbewerb zwischen den Endherstellern führt trotz des Preisdrucks zu Lasten der Zulieferer zu Umsatzrenditen, die für alle hinter den Zielen zurückbleiben. Hiervon sind — entgegen den Erwartungen — die Systemzulieferer stärker betroffen als die Komponentenhersteller. Der starke Preisdruck wird anhalten und in Verbindung mit der nachlassenden Konjunktur zu erheblichen Problemen v.a. für die Volumenhersteller führen. Dies hat auch Auswirkungen auf die jeweiligen Zulieferer. Verschärft wird diese Situation durch große Überkapazitäten auf dem Weltmarkt: es könnten 23 Mio. KFZ mehr produziert als verkauft werden, rechnerisch sind 80 von 630 Fabriken "überflüssig".

Die Automobilindustrie ist von großen Veränderungen geprägt. Auffällig ist dabei nicht nur die anhaltende Konzentrationswelle. Zu verzeichnen sind Trends von der Automobilindustrie zur Automobilwirtschaft, vom Verkehrs- zum Mobilitätsanbieter, die Autos werden zu "rollenden Kommunikationssystemen" und zu aktiven Logistikbausteinen. Der Anteil der Elektronik wird weiter steigen, die Vertriebs- und Servicestrukturen werden "durchrationalisiert", e-business und Finanzdienstleistungen gehören zum Angebot der Branche. Im Zentrum dabei stehen die Beziehungen zwischen den Endherstellern und den Zulieferern. Die Strukturveränderungen erfassen noch stärker als bisher die gesamte Wertschöpfungskette und damit auch die bestehenden Kfz-Regionen.

Im Zuge dieser Entwicklungen sind eine Reihe von Beschäftigungsrisiken zu erwarten. Diese betreffen einerseits automatisierbare oder verlagerbare Tätigkeiten, die heute in der Regel von angelernten Arbeitnehmern ausgefüllt werden, andererseits aber auch ganze Zulieferunternehmen, die eine unterkritische Größe aufweisen bzw. die gestiegenen Anforderungen nicht erfüllen können. Chancen für die Branche bestehen darin, sich offensiv auch neuen Beschäftigungsfeldern wie den Wasserstoff-Antrieben, neuen Werkstoffen, sowie "Dienstleistungen rund um's Auto" bis hin zu Recyclingkonzepten zuzuwenden.

Die strategische Schlüsselaufgabe hierfür besteht dabei darin, die Hersteller- Zulieferbeziehungen neu zu gestalten. Zukunftsfähig wird die Branche nur dann sein, wenn sie nicht mehr durch Preisdruck und Risikoabwälzung, sondern durch eine Innovations- und Wertschöpfungspartnerschaft geprägt wird. Hierzu kann auch die Branchenpolitik der IG Metall beitragen.