Dieter Knauß

IG Metall Waiblingen

 

Wie muß eine regionale, gewerkschaftsorientierte Branchenpolitik aussehen?

Referat zur

Regionalen Branchenkonferenz für Betriebsräte

am 19. Oktober 2000 in Stuttgart

 

 

VORBEMERKUNG:

Wer Patentantworten erwartet wird enttäuscht sein. Die gibt es nicht. Es geht um erste Überlegungen und Schritte, wie Erfahrungen und Ansätze gewerkschaftlicher Branchenarbeit regional weiter entwickelt werden können.

 

    1. Bisherige Praxis der IG Metall-Branchenarbeit
    1. Bisher gab es keine ausgesprochen Branchenarbeit, sondern nur die von der Vorstandsverwaltung organisierten Treffen klar abgegrenzter Bereiche z. B. Nutzfahrzeugehersteller, Gießereien, weiße Ware. Der Faktor "Region" spielt bei diesen Treffen keine Rolle.
    2. Situationsbedingt gab es Aktivitäten in Krisenbranchen, z. B. Uhrenindustrie, Weften, Stahlindustrie. Diese waren i.d.R. mit den besonders betroffenen Regionen verbunden. Sie waren und sind darauf konzentriert, den Strukturwandel zu verlangsamen und Ersatzarbeitsplätze aufzubauen. Dies erfordert einen sehr langen Atem.
    1. Warum jetzt eine regionale IG Metall-Branchenarbeit?
    1. Es gibt immer weniger Branchenkonjunkturen, statt dessen Firmen- oder gar reine Markenkonjunkturen, an denen nur Teile der Wertschöpfungskette beteiligt sind.
    2. Innerhalb der Wertschöpfungskette Automobil findet eine verstärkte Umverteilung statt, häufig verbunden mit Unternehmenskonzentration und Spezialisierung auf Komponenten oder Systeme.
    3. Kurzzyklische Innovationen, einheitliche Produktionskonzepte und -standards wie Just in Time führen zunehmend zu aufeinander abgestimmte Arbeitszeitregime. ISO 9000, TQM, abgestimmte DV-Systeme (CAD), e-commerce usw. machen die Wertschöpfungskette enggliedriger.
    4. Neue Arbeitsorganisationsformen wie Gruppen- und Projektarbeit stellen an die Beschäftigten neue Anforderungen und veränderte Qualifikationsprofile (soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, EDV-Kenntnisse).
    5. Unternehmensbereiche werden ausgegliedert, bisher hauseigene Tätigkeiten werden fremdvergeben, die Unterschiede zwischen Stamm- und Randbelegschaft verstärkt sich. Dies erschwert die betriebliche Interessenvertretung.
    6. Auch wenn die Ursachen dieser Entwicklungen häufig in globalen Branchen- und Markttrends liegen, so ist auch die Ebene der Region bei der Gestaltung und Problemlösung in neuer Weise gefordert. Die Auswirkungen bei Beschäftigung und wirschaftlicher Leistungssfähigkeit werden in den Betrieben und in der Region konkret.
    7. Die Region kann aber auch Rahmenbedingungen anbieten, mit denen eine strategische Perspektive der Betriebe unterstützt und gefördert wird. Staatliche Struktur- und Regionalpolitik hat daher diese Veränderungen wahrzunehmen, unterstützende Maßnahmen in der Region zu initiieren und zu begleiten. Die IG Metall hat als wichtiger Akteur diese Aktivitäten für die Beschäftigten einzufordern.
    1. Was bedeutet regionale gewerkschaftliche Branchenarbeit?
    1. Gewerkschaftliche Branchenarbeit muss sich um die Beseitigung der Konkurrenz zwischen den gewerkschaftlichen Akteuren innerhalb der Wertschöpfungskette kümmern. Arbeitgebervertreter tun dies längst. Informelle Kontakt auf Arbeitgeberseite zielen dabei auf den Austausch von "best practice" Methoden mit dem Effekt, dass sich Arbeitsstandards verschlechtern
    2.  

    3. Regionale Branchenarbeit kann mit einem Netzwerk betrieblicher Akteure Strukturen schaffen, die einen raschen und effizienten Kommunikations- und Informationsaustausch gewährleisten. Hierdurch können gemeinsame Problemlagen und Abhängigkeiten innerhalb der Wertschöpfungskette besser erkannt werden und langfristig die Entwicklung gemeinsamer Strategien und Problemlösungen fördern.
    4. Die IG Metall Region Stuttgart wird künftig stärker darauf hinwirken, dass ihre betrieblichen Erfahrungen Eingang in den "Standortdialog Fahrzeugbau" der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart finden. So stellt sich bspw. für wachsende Unternehmen immer auch die Frage nach strategischen Flächenreserven. Wenn es etwa bei DaimlerChrysler-Untertürkheim gelingen soll Zukunftstechnologien, wie die Brennstoffzelle an die Region zu binden, erfordert dies möglicherweise zusätzliche Flächen oder eine neue logistische Anbindung von Zulieferern, weil die Teilevielfalt zunimmt. Hier kann die IG Metall Region Stuttgart darauf hinwirken, dass die WRS rechtzeitig Lösungskonzepte vorbereitet.
    5. Die IG Metall Region Stuttgart versteht die Branchenarbeit als Scharnier zwischen regionaler Wirtschafts- und Betriebspolitik.

AUSBLICK:

    1. Wir haben in der Region Stuttgart eine besonders günstige Ausgangslage für gewerkschaftliche Branchenarbeit. Neben der Konzentration von Zulieferern und Abnehmern des Fahrzeugbaus haben wir zum einen die seit 5 Jahren existierende enge Zusammenarbeit der regionalen IG Metall Verwaltungsstellen, die seit Mitte des Jahres in regionalen Fragen unter dem gemeinsamen Dach IG Metall Region Stuttgart auftreten und zum anderen den Verband Region Stuttgart und die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart, mit denen bewusst der Austausch gesucht wird.
    2. Ziel der nächsten 3 Jahre soll der Aufbau eines Kommunikations- und Informationsnetzes zwischen Betriebräten der Wertschöpfungskette Fahrzeugbau sein. Als ständige Plattform ist eine Internet-Seite (http://www.region-stuttgart.igm.de/) eingerichtet.